Viele Jahrzehnte hat sich die biologisch-psychiatrische Forschung, insbesondere die psychiatrische Genetik, auf Querschnittsdaten gestützt, ohne einem Phänotyp Beachtung zu schenken, welcher doch von höchster Relevanz für sowohl den Kliniker als auch die Patienten und ihre Angehörigen ist: Der longitudinale Verlauf. Wir wissen aus etlichen epidemiologischen Studien, dass es charakteristische Merkmale für den longitudinalen Verlauf der Schizophrenie gibt. Diese Merkmale werden zum einen durch das Rezidivmuster, zum anderen durch den Grad der Verschlechterung definiert. So fanden Studien einen Zusammenhang zwischen der Verschlechterung durch negative Symptome wie emotionale Abstumpfung, Avolition, Alogie oder Anhedonie mit einer verminderten Erwerbsfähigkeit, was in unseren westlichen Gesellschaften stellvertretend für das soziale Funktionieren Erwachsener steht.
Insgesamt 20 % der Patienten, die eine schizophrene Episode aufzeigen, werden vollständig remittieren. Etwa 30 % der Betroffenen erleben etliche schizophrene Episoden, zwischen welchen sie jeweils komplett remittieren. Die verbleibenden 35 bis 45 % der Patienten spiegeln die Kernproblematiken dieser Erkrankung wider. Zwar zeigt sich auch bei diesen Patienten ein remittierender Verlauf, jedoch erhöht sich bei ihnen von Rezidiv zu Rezidiv die Restsymptomatik und verhindert die Erwerbsfähigkeit der Betroffenen. Dieser Effekt besteht aus häufigen Rezidiven und macht es den Patienten unmöglich, ihren psychosozialen Zielen gerecht zu werden. Nur 20 % aller Patienten mit einer Schizophrenie gehen einem regulären Beruf nach und nur 30 % sind fähig, eine stabile Partnerbeziehung aufrechtzuerhalten.
In einer aktuellen Großstudie zur schizophrenen Erstmanifestation wurde der Effekt verschiedener Neuroleptika auf Psychopathologie, Kognition und Einhaltung der Medikation untersucht. Die meisten Patienten verblieben auf dem atypischen Neuroleptikum Amisulprid, während die wenigsten bei der Medikation mit dem Typikum Haloperidol blieben. Es gibt eine Untergruppe von Patienten (20 %), welche von der Schizophrenie unabhängig von der Verordnung eines Antipsychotikums genesen. Für weitere 30 % ist die neuroleptische Behandlung, unhabhängig von der Wahl der Substanz, wichtig für eine ausreichende Genesung. Es verbleiben 50 % der Patienten, bei welchen Neuroleptika zwar scheinbar eine Symptomverbesserung erzielen, jedoch zu keiner substantiellen Remission der Beschwerden führen. Ebensowenig wie Neuroleptika vermochten jegliche übrigen Ansätze zur intensiven Behandlung der schizophrenen Erstmanifestation, so z.B. das OPUS-Trial, das longitudinale Wirkungsmuster überwinden.